Werke von Timo Kube und Barbara Nemitz bis 23. April 2023
im Rahmen des Projekts »22/23: spielzeit«
Museum Morsbroich, Gustav-Heinemann-Straße 80, 51377 Leverkusen
Für Timo Kube (*1977 in Harsewinkel, lebt in London) spielt die Erfahrung von Prozessen und Veränderungen eine große Rolle – ob als Erlebnis langwieriger Arbeit an einem Werk oder als eine sich kontinuierlich verändernde Erscheinung des Werkes selbst. Ausgangspunkt bildet für ihn hierbei die intensive Beschäftigung mit dem verwendeten Material, das er häufig in Form von Naturmineralien wie Kreide oder Tonerde an öffentlichen Orten und in der Natur findet.
So auch im Fall der jetzt neu im Museum Morsbroich ausgestellten Arbeiten Sphere und Siegburg #1-3, die alle – jedoch auf sehr unterschiedliche Weise – aus ungebrannter Tonerde hergestellt wurden. Bei den drei großformatigen Arbeiten der Siegburg-Serie wurde die nasse Tonerde als dünne Schicht auf die liegende Leinwand gerieben und mit den Händen so eingearbeitet, dass der Ton mit dem textilen Gewebe der Leinwand nach und nach eine feste Verbindung eingeht. Der matten, rauen Oberflächentextur der Siegburg-Arbeiten steht die aufpolierte, glatte Oberfläche der Tonkugel Sphere gegenüber: Timo Kube hat sie über einen erschöpfend langen Zeitraum von Wochen und Monaten mit einem Teelöffel aus Edelstahl so lange bearbeitet, bis eine nahezu perfekte geometrische Kugel in schimmernden Farbnuancen entstand. So bearbeitet, ruft die Kugel aus Ton Assoziationen an Marmor oder Granit hervor.
Sowohl in den Siegburg-Bildern wie auch in Sphere zeigt Timo Kube jeweils eine Momentaufnahme, einen Erscheinungszustand, der abhängig ist von Raum, Licht und Zeit und der den direkten Dialog mit uns als reflektierenden Betrachtenden herausfordert.
Barbara Nemitz (*1948 in Göttingen, lebt in Berlin) beschäftigt sich in ihren Arbeiten seit vielen Jahren mit dem wechselseitigen Verhältnis von Mensch, Natur und Schönheit. Die beiden zurzeit im Museum Morsbroich ausgestellten Werke aus der Serie Ohne Titel (2016 bzw. 2019) gehören zu einem fortlaufenden Malereizyklus, an dem die Künstlerin seit 2016 arbeitet. Ausgangspunkt ist jeweils die gleiche Fotografie einer historischen Ernteszene (aufgenommen im 20. Jahrhundert in Brandenburg), die Barbara Nemitz immer wieder malt. Der Vorgang des Malens stellt für sie dabei eine besondere Art der Kontaktaufnahme dar – nicht nur in Form eines direkten physischen Kontakts zwischen ihr und dem Malmaterial, sondern ebenso als mentale Auseinandersetzung mit dem dargestellten Ernte-Motiv: Sie versteht es als ein Urbild für das Verhältnis zwischen Mensch und Natur, zwischen Geben und Nehmen.
Das in beiden Arbeiten verwendete Jutegewebe bleibt durch den leichten Auftrag mit Ölpastellkreide in seiner Stofflichkeit präsent. Zugleich dienen einzelne Fäden als Material für eine abstrakt-geometrische Überspannung bzw. Stickerei, die das dargestellte Motiv in einer zweiten Schicht teilweise verdeckt bzw. je nach Lichteinfall bis in die Abstraktion auflöst. Bewusst schwanken die Bilder von Barbara Nemitz zwischen Figuration und Abstraktion – für sie ein möglicher Zugang zu einer gedanklichen Abstraktion. Der Akt des Stickens kann dabei als Vorgang des (Zer-)Störens wie auch als Handlung des Reparierens verstanden werden. Zugleich übersetzt Barbara Nemitz damit das historische Motiv in die Gegenwart und hinterfragt unser heutiges Verhältnis zur Natur ebenso wie unsere Wahrnehmung derselben, die sie durch eine zunehmend nutzungsorientierten, technisierten Agrarwirtschaft gefährdet sieht.
Die Arbeiten von Timo Kube und Barbara Nemitz sind noch bis zum 23. April 2023 im Rahmen von »22/23: spielzeit« im Museum Morsbroich zu sehen.
Charakteristisch für die vom Museum Morsbroich 2022 aufgenommene Arbeit am „gegnwärtigen Museum” ist, dass sich die Ausstellungen unter festgelegten Vorzeichen immer wieder neu erfinden. Auftakt bildete die in zwei Teilen entwickelte spielzeit, von Mai 2022 bis Mai 2023, mit der gleichzeitig die „Werkstatt Morsbroich” etabliert wurde: ein ausgewählter Kreis von Künstler*innen, die das Museum und die Neukonzeption der gesamten Anlage (das Ensemble Morsbroich) über mehrere Jahre begleiten werden.
Links:
Das ›gegnwärtige Museum‹ – Museum Morsbroich (museum-morsbroich.de)
Werkstatt Morsbroich – Museum Morsbroich (museum-morsbroich.de)
Fotocredits: Denis Bury
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